Zug und Sturz im Flug
Wieviel solls sein?



Besonders bei Heckantrieben stellt sich die Frage: Sturz nach oben oder nach unten?

[08/2014] Betrachtet man den Antrieb von Modellen, stellt man fest, dass Motor und Propeller manchmal mehr, manchmal weniger, schräg nach rechts und nach unten geneigt verbaut sind. Man spricht vom Motorzug und -sturz. Die Frage lautet natürlich: Wie groß sollen Zug und Sturz sein? Besonders bei Modellen mit Heckantrieb schließt sich die nächste Frage gleich an: Sturz nach oben oder nach unten? Zuwenig oder zuviel des Guten führt schnell dazu, dass sich das Modell nur noch unschön oder fast gar nicht fliegen lässt.

Ein besonders eindrucksvolles Erlebnis war der Erstflug eines kleinen, selbst gebauten Viper-Jets mit Druckantrieb. Alles war vorbereitet, geprüft und die Spannung hoch. Vorsichtshalber gut Dreiviertelgas gegeben, ein beherzter Wurf geradeaus und dann? Ein kurzer schneller Looping und schon ertönte das bekannte dumpfe Geräusch hinter Werfer und Pilot. Es blieb gerade noch Zeit, das Gas heraus zunehmen. Zum Glück war es Winter, Matsch und Schnee verhinderten das Schlimmste. Nur – was war falsch gelaufen? Die Antwort: der Motorsturz. Denn ohne Antrieb segelte das Modell brav geradeaus. Unter Schub jedoch wurde es jäh nach oben gedrückt. Der Einbauwinkel von Motor und Propeller und die daraus resultierende Kraftrichtung stimmten nicht. Bei einem vorne angetriebenen Modell ist zusätzlich zum Motorsturz noch der Motor- oder Seitenzug zu beachten.

Motorzug - warum?
Ein Antrieb erzeugt eine Schubkraft in eine bestimmte Richtung. Diese Kraft greift bei einem Antrieb vorn (Frontpropeller) am Zugpunkt und bei einem Antrieb hinten (Heckantrieb, „Pusher“) am Druckpunkt an. Ein Propeller- oder Impellerantrieb erzeugt zusätzlich eine rotierende Luftschlange, auch als „Drall“ bezeichnet. Während sich diese Luftschlange beim Heckantrieb hinter dem Modell ausbreitet und vernachlässigt werden kann, wird sie beim frontgetriebenen Modell über das Flugzeug gedreht und trifft auf Fläche und Leitwerke. Die dabei auf Fläche und Höhenleitwerk ausgeübte Kraftwirkung wird durch das vom Motor in Gegenrichtung erzeugte Drehmoment weitgehend kompensiert. Anders verhält es sich mit dem Seitenleitwerk: Hier trifft die von einem rechtsdrehenden Propeller erzeugte Luftschlange von links auf des Leitwerk und drückt das Modell um seinen Drehpunkt hinten nach rechts weg. Im Ergebnis fliegt das Modell eine mehr oder weniger starke Linkskurve. Der Effekt ist umso stärker, je mehr Schub, also Gas, gegeben wird und je geringer die Strömungsgeschwindigkeit ist. Typische Flugsituationen mit viel Schub und wenig Strömungsgeschwindigkeit sind der Senkrechtflug kurz vor dem Stillstand oder besonders prekär der Start des Modells. Mit Vollgas aus der Hand gestartet, dreht in ungünstigen Fällen ein Modell sofort nach links ein und hat bereits nach wenigen Metern schon wieder festen Boden unter sich.
Motorsturz und -zug
Drallwirkung des Propellerstrahls oben ohne und unten mit Seitenzug des Motors
Motorsturz und -zug

Abhilfe schafft ein nach rechts geneigter, schräg eingebauter Motor. Typische Werte für den Neigungswinkel sind 1 bis 2°. Einen genauen Wert zu berechnen ist schwierig. Ein möglicher Ansatz wäre, über die erzeugten Drehmomente zu gehen. Hierzu muss man den Drehpunkt des Modells kennen, die Größe der „getroffenen“ Seitenleitwerkfläche und die vom Propeller bewegte und das Leitwerk treffende Luftmasse oder besser den Massenstrom. Damit ließe sich die auf das Leitwerk wirkende Kraft FDrall berechnen und mit dem Abstand aDrall zum Drehpunkt multipliziert das hinten wirkende Drehmoment MDrall. Das aus dem Motorzug vorne resultierende Gegendrehmoment MZug muss gleich groß sein. Durch den Abstand aM-D vom Zugpunkt des Propellers zum Drehpunkt dividiert erhält man die Kraftwirkung FZug, die der Motor zur Seite entfalten muss. Diese Kraftwirkung nach rechts steht in einem rechtwinkligen Dreieck senkrecht zur nach vorne gerichteten Widerstandskraft FW‘ des Modells bei der für die betrachtete Situation festgelegten Geschwindigkeit. Der Winkel für den Motorzug lässt sich dann über tan alpha = Seitenzugkraft FZ / Widerstandskraft FW‘ bestimmen. Die erforderliche Schubkraft FS wäre die Hypotenuse dieses Dreiecks, also beispielsweise die Wurzel aus der Summe der Quadrate von Zugkraft plus Widerstandskraft.
Motorsturz und -zug
Darstellung der Kräfte und Momente bei einem Frontantrieb mit Seitenzug

Soweit die Theorie – für die Praxis müsste man zunächst den Drehpunkt kennen. Wer zum Beispiel mit FLZ Vortex von Frank Ranis sein Modell selbst auslegt, erhält dort einen Hinweis. Wer ein Kaufmodell fliegt, tut sich hier bereits schwer. Noch schwieriger wird es, den das Seitenleitwerk treffenden Massenstrom der Luft zu bestimmen. Dieser hängt unter anderem vom Durchmesser, der Steigung und der Drehzahl des Propellers ab. Auch die Luftdichte (Temperatur und Meereshöhe) spielen mit hinein und die Größe der Seitenleitwerksfläche muss berechnet werden. Während letzteres noch möglich ist, wird es mit dem Massenstrom der Luft schon sehr schwierig. Zumal dieser sich mit zunehmender Geschwindigkeit des Modells verändert. Bleibt unterm Strich eine Abschätzung auf Basis von Erfahrungswerten.

Eines zeigt die theoretische Betrachtung aber doch: Die Wirkung der unerwünschten Seitenkraft auf das Seitenleitwerk ist umso größer, je schneller ein Propeller dreht, je höher seine Steigung und sein Durchmesser sind (sprich die nach hinten bewegte Luftmenge), je größer die Fläche des Seitenleitwerks ist und je langsamer ein Modell fliegt. Anhand dieser Parameter kann man eher abschätzen, ob der eingestellte Seitenzug des Motors eher 1° oder besser 2° sein sollte. EIn großer Propeller und ein großes Seitenleitwerk bedingen demnach etwas mehr Motorzug. Übrigens trifft die rotierende Luftschlange nicht nur Modellflugzeuge. Weil der Rumpf der P51 Mustang vorne so eng ist und der Motor etwas groß, konnten ihn die Entwickler nicht bis zum erforderlichen Zug drehen und schräg einbauen - es hat nicht gepasst. Was haben sie dann gemacht? Sie haben zusätzlich auch das Seitenleitwerk noch schräg eingebaut.
Ein Seitenleitwerk, das nach oben wie unten gleich groß wäre, würde auf seiner Unterseite von der rotierenden Luftschlange in Gegenrichtung getroffen und die Kraftwirkung von oben und unten würde sich ausgleichen. Interessanterweise haben SAL Glider solche Seitenleitwerke – aber keinen Motor. Bei Modellen mit spiegelsymmetrischer Motoranordnung – typischerweise zwei- oder viermotorige – neutralisiert sich die ungeliebte Seitenwirkung des Propellerdralls. Vorausgesetzt, die Motoren und Propeller drehen gegenläufig.

Motorsturz - wieviel?

Wie erwähnt, beschreibt der Motorsturz die Neigung der Propellerwelle nach unten beziehungsweise bei Heckantrieben nach unten oder oben. Bei der Frage wie viel Sturz angemessen ist, fällt auch hier eine Berechnung schwer. Die geläufige Daumenregel spricht für Frontpropeller wieder von ein bis zwei Grad Neigung nach unten. Bei zu wenig Sturz will das Modell unter Schub wegsteigen und bei zuviel Sturz nimmt es unter Gas die Nase runter. Das Ziel wäre jedoch ein möglichst weiter Geschwindigkeitsbereich ohne und mit Schub, bei dem sich das Modell ohne Korrektur durch das Höhenleitwerk auf gerader Flugbahn hält. Um die Sache besser einschätzen zu können, betrachten wir alle Parameter, die auf die Neigung einwirken. Dies ist entscheidend für das Nickmoment.

Fluglage und Geschwindigkeit

Ein Modell kann von den Einbauwinkeln von Fläche und Höhenleitwerk so eingestellt sein, dass sein Rumpf und eine gedachte Rumpflinie schräg zur Flugrichtung stehen. Wer jetzt die Kraftrichtung des Antriebs parallel zur Rumpflinie legt, würde dafür sorgen, dass das Modell in Richtung der Rumpflinie schräg zur Flugrichtung gezogen wird und im Kraftflug steigen wird. Der Motor muss daher um einen Anstellwinkel nach unten gerichtet eingebaut werden der so groß ist, dass das Modell geradeaus nach vorne gezogen wird. Im gezeigten Fall also parallel zum Höhenleitwerk.
Motorsturz und -zug
In den meisten Fällen jedoch wird ein Modell im horizontalen Geradeausflug parallel zu seiner gedachten Rumpflinie in der Luft liegen und dabei die zu Grunde gelegte Geschwindigkeit fliegen.
Motorsturz und -zug
Betrachten wir diese Situation einmal näher. Das Höhenleitwerk soll in unserem Beispiel ebenfalls parallel zur Rumpflinie liegen und die Fläche ist mit einem kleinen Einstellwinkel von beispielsweise einem Grad eingebaut. Die Differenz der Einstellwinkel von Höhenleitwerk zu Fläche ist die EWD (EinstellWinkelDifferenz); sie wird als Winkel in „Grad“ gemessen. Im Schwerpunkt SP greift die Gewichtskraft FG nach unten und die Auftriebskraft FA nach oben an. Beide Kräfte gleichen sich im stationären Horizontalflug bei der den Berechnungen zu Grunde gelegten Geschwindigkeit aus. Ebenso ihre Momente um den Neutralpunkt. Die Differenz von Schwerpunkt und Neutralpunkt dividiert durch die Flächentiefe ist nebenbei das Stabilitätsmaß. Ein Maß, wie leicht ein Modell zum Nicken neigt. Je näher der Schwerpunkt am Neutralpunkt liegt, desto höher sind Nickneigung und Agilität des Modells. Liegt der Schwerpunkt in der Nähe des Neutralpunktes kann das Modell fast nicht mehr geflogen werden; liegt er hinter dem Neutralpunkt, ist es schlicht unbeherrschbar.

Mit dem im Beispiel gezeigten Abstand hätte dieses Modell ein sehr hohes Stabilitätsmaß. Letztlich gibt es noch eine Widerstandskraft, die sich aus dem Gesamtwiderstand der Fläche, den Leitwerken und dem Rumpf zusammen setzt. Beispielhaft sind die beiden Kräfte FW-Fl und FW-HLW für die Fläche und das Höhenleitwerk eingezeichnet. Schwierig, aber entscheidender, wäre der Punkt, an dem die Gesamtwiderstandskraft des Modells angreift. Denn diese Kraft mit ihrem Hebelarm = dem Abstand zum Neutralpunkt multipliziert, erzeugt ebenfalls ein Moment. Jedoch kennen wir diesen Punkt nicht. Die Gesamtwiderstandskraft verrät uns bei selbst entwickelten Modellen wieder das Programm von Frank Ranis. Mit dem eingestellten Stabilitätsmaß fliegt – oder besser segelt – das Modell stabil in horizontaler Richtung. Nun kommt der Motor ins Spiel. Er erzeugt eine Zugkraft FZug, die mindestens so groß wie die Gesamtwiderstandskraft bei der berechneten Geschwindigkeit sein muss. Nur so behält das Modell seine horizontale Flugbahn bei und gleitet nicht zu Boden. Bei jedem Versuch, nach oben oder unten zu nicken, stellt sich auch das Höhenleitwerk gegen die anströmende Luft und erzeugt ein Gegendrehmoment, mit dem sich das Modell wieder in die Normallage zurück dreht. Dies klappt solange, bis durch mehr Gasgeben und höherer Fluggeschwindigkeit das umströmte Flächenprofil seinen Auftrieb vergrößert und letztlich das Modell doch zu steigen beginnt. Durch die Wahl geeigneter Profile lässt sich dieser Punkt noch eine gewisse Zeit hinauszögern – dann aber beginnt unweigerlich der Steigflug. Mit dem Ranis-Programm kann man dies durch Vorgabe höherer Geschwindigkeiten sehr schön simulieren.

Jetzt endlich kommt der Motorsturz ins Spiel: Man erreicht mit einem nach unten geneigten Motor eine Kraftwirkung, die den zusätzlichen Auftrieb nach oben kompensiert. Die zunehmende Zugkraft des Motors nach unten wirkt der zunehmenden Auftriebskraft durch das Profil nach oben entgegen.
Motorsturz und -zug
Eine Berechnung des einzustellen Winkels für den Motorsturz indes scheint schwierig und aufwändig – weshalb an dieser Stelle erneut auf Erfahrungswerte zurückgegriffen wird. Als günstig und in fast allen Fällen zuverlässig erwiesen hat sich für den Motorsturz ein Winkel, der dem der eingestellten EWD entspricht. Damit lassen sich die eingangs erwähnten ein bis zwei Grad deutlich genauer spezifizieren. Ein Rennmodell mit einer EWD von 0,5° hätte demnach einen Motorsturz von etwa einem halben Grad. Ein extrem langsam und gutmütiges Modell mit einer großen EWD von beispielsweise sechs Grad hätte dann auch einen Motorsturz von etwa sechs Grad. Die über den Daumen gepeilten ein bis zwei Grad würden das Rennmodell nach unten ziehen und für Langsamflieger wäre es zu wenig.

Wie siehts bei einem Heckantrieb aus?
Betrachten wir diesen am Beispiel des eingangs beschriebenen Viper-Jets.
Motorsturz und -zug
Er stieg beim Erstflug wie erwähnt unter Schub jäh nach oben weg. Mangels besseren Wissens wurde der Motor mit einem Sturz von zirka ein bis zwei Grad schräg nach oben eingebaut. Bautechnisch bedingt waren es vermutlich eher zwei Grad. Der Schubvektor zeigte damit deutlich unter dem Drehpunkt durch – was dazu führte, dass das Modell im Kraftflug vorne die Nase hoch nahm. Nach einer Korrektur in Richtung des Drehpunktes war die Sache sofort in Ordnung. Nahezu unbeeindruckt von der Gasstellung fliegt dieser kleine „Pusher“-Jet nun seit Jahren stabil geradeaus. Für den Heckantrieb gilt: Die Kraftwirkung des Schubs muss von ihrem Druckpunkt aus in Richtung des Drehpunktes des Modells zeigen. Je nach Lage von Dreh- und Druckpunkt und der Geometrie des Modells kann daher der Sturz hinten nach oben oder nach unten zeigen. Steigt das Modell bei Vollgas, dann muss die Druckline gegenüber dem Drehpunkt höher gelegt werden. Der eingestellte Motorsturz nach oben ist zu groß. Senkt das Modell bei Vollgas die Nase, so drückt der Heckantrieb von hinten das Modell über seinen Drehpunkt. Die Drucklinie muss tiefer gelegt werden, der eingestellte Motorsturz nach unten muss kleiner sein.

Schließlich ist zu klären, wo der Druckpunkt liegt beziehungsweise wie man diesen finden kann. Eine Möglichkeit bietet die Modellauslegung mit dem schon erwähnten Ranis-Programm FLZ-Vortex. Frank Ranis stellt dieses Programm auf seiner Web-Seite kostenlos zur Verfügung (www.flz-vortex.de). Wer nicht rechnen möchte und eine gewisse Ungenauigkeit in Kauf nimmt, kann diesen Punkt austesten. Weil Neutralpunkt und Schwerpunkt auf die Rumpflänge hin betrachtet einigermaßen nahe beieinander liegen, kann man den Schwerpunkt in Z-Richtung (der Hochachse des Modells) ermitteln und ihn als Drehpunkt heranziehen. Im einfachsten Fall durch Auflegen auf die Fingerspitzen. In aller Regel ist der Schwerpunkt ja bekannt. Man nimmt also das Modell um 90° gedreht in Höhe des Schwerpunktes auf die Fingerspitze und balanciert es auch auf seiner Hochachse aus. Anspruch auf Genauigkeit hat dieser Ansatz nicht. Besser als reine Spekulation ist er allemal. Meist liegt der Schwerpunkt in Z-Richtung bei Tiefdeckern nur wenig oberhalb der Tragfläche. Auf diesen Punkt hin stellt man dann den Motorsturz des Druckantriebes hinten ein. Man fährt – besser fliegt – damit in der Regel gut.

Korrekturen sind manchmal sehr einfach möglich...
Zum Schluss sei noch Tipp: Bei kleineren Elektromodellen gibt es eine recht einfache Möglichkeit für die Korrektur eines falsch eingestellten Motorsturz- und zuges: Wer den Motor mithilfe des meist mitgelieferten Motorkreuzes und vier Schrauben auf eine Motorhalterung verschraubt, kann durch Einfügen von Unterlagsscheiben den Zug und Sturz für den Motor in alle Richtungen noch relativ weit verstellen und anpassen.
Motorsturz und -zug
Mit Unterlagsscheiben können Zug und Sturz auch nachträglich noch korrigiert werden.